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AutorenbildThilo Weber

WWF PV-Analyse 2019 - Hintergrundinformationen

Zum zweiten Mal veröffentlichen wir zusammen mit WWF die schweizweite Solaranalyse. Ziel ist es, den Ausbau von Photovoltaik- (PV) Anlagen in der Schweiz mitzuverfolgen und in Relation zum wirtschaftlich sowie technisch realisierbaren Potenzial zu setzen. Vor einem Jahr haben wir das ausgenützte PV-Potenzial per 1. Januar 2018 aufgezeigt und welche Gemeinden in punkto PV-Ausnützung die Nase vorn hatten. Dieses Jahr setzen wir den Schwerpunkt auf die Zubaurate und eine Standortbestimmung, wo wir uns in Bezug auf eine 100 % Ausnützung des Potenzials befinden. Unsere pikante Schlussfolgerung vorweggenommen: Zurzeit würde es bis ins Jahr 2282 dauern, bis wir das Gesamtpotenzial in der Schweiz nutzen würden!



Daten zu bestehenden und potenziellen PV-Anlagen

Die bestehenden Anlagen setzen sich aus allen PV-Anlagen zusammen, die vor dem 1. Januar 2020 entweder über die kostenorientierte Einspeisevergütung (KEV) oder die Einmalvergütung (EIV) angemeldet waren. Praktisch alle PV-Anlagen in der Schweiz sind in einer dieser beiden Datenquellen registriert¹. Gemäss Bundesamt für Energie (BFE) «wird für fast alle neuen PV-Anlagen eine EIV beantragt» (EIV-Evaluationsbericht des BFE, S. 7). Die Daten zu den KEV-Bezügern sind öffentlich verfügbar. Die EIV-Daten haben wir von der zuständigen Firma Pronovo im Rahmen dieser Analyse anonymisiert auf Postleitzahlebene² bezogen. Ende 2019 betrug die gesamthaft installierte PV-Leistung 2.13 Gigawatt Peak (GWp). Die zu erwartende korrespondierende Energieproduktion liegt bei etwa 2.20 Terawattstunden (TWh) pro Jahr.


Für die Berechnung des wirtschaftlich sowie technisch realisierbaren Potenzials haben wir alle Dachflächen verwendet, welche von Swisstopo erfasst worden sind (Stand Oktober 2019), bezüglich des PV-Potenzials mindestens "gut" geeignet sind und eine Grösse von über 10 Quadratmetern aufweisen. Es wird von einem durchschnittlichen Belegungsgrad von 70 % und einem Modulwirkungsgrad von 17 % ausgegangen. Das resultierende PV-Potenzial für die ganze Schweiz beträgt rund 55.0 Gigawatt Peak (GWp). Die zu erwartende korrespondierende Energieproduktion liegt bei 54.2 Terawattstunden (TWh) pro Jahr. Dieser Wert deckt sich recht gut mit dem Monitoring-Bericht zur Energiestrategie 2050 des BFE, welcher für das Jahr 2035 ein wirtschaftliches PV-Potenzial von 50 TWh pro Jahr angibt (S. 79 in der Langfassung des Berichts). Der Bericht schätzt das zum heutigen Stand vorhandene wirtschaftliche Potenzial allerdings deutlich tiefer auf nur 10 TWh pro Jahr und das technisch mögliche Potenzial insgesamt auf 63 TWh pro Jahr. Zum Vergleich, im Jahr 2019 betrug der Stromverbrauch der Schweiz 57.2 TWh und der Erdölverbrauch 113.0 TWh (Quelle: BFE). Ein PV-Potenzial von 54.2 TWh pro Jahr entspricht also in etwa dem aktuellen Stromverbrauch oder einem Drittel des gesamten aktuellen Energieverbrauchs in der Schweiz.


PV-Ausnützungsrate in der Schweiz

Zur Berechnung der PV-Ausnützungsrate summieren wir die installierte Leistung der in Betrieb genommenen Anlagen über die Zeit auf und setzen diese ins Verhältnis zum realisierbaren Potenzial. Abbildung 1 unten zeigt die aufsummierte Ausnützung in der Schweiz (grüne Linie) von Anfang 2007 bis Ende 2019, die sich aus der Summe der KEV- (orange Linie) und EIV-Anlagen (violette Linie) zusammensetzt. Ende 2019 waren in der Schweiz 3.9 % des gesamten PV-Potenzials ausgenützt. Die Daten der letzten drei Jahre, 2017 bis 2019, haben wir mittels linearer Regression durch eine gerade Linie mit einer konstanten Steigung von 0.37 Prozentpunkten pro Jahr angenähert (gepunktete grüne Linie). Extrapoliert man diese durchschnittliche Ausnützungsrate der letzten drei Jahre in die Zukunft, würde es 262 Jahre, also bis ins Jahr 2282, dauern bis wir 100 % des aktuellen PV-Potenzials ausgenützt hätten!

Abb. 1: Ausnützung des PV-Potenzials in der Schweiz von Anfang 2007 bis Ende 2019 (grüne Linie), Extrapolation der aktuellen Ausnützungsrate (gepunktete grüne Linie), sowie der Zielwert der Energiestrategie 2050 für das Jahr 2035 (unsere Abschätzung, siehe Text).


2035 vs. 2046 oder 2050 vs. 2106 oder 2282?

Wie man aus der Abb. 1 sehen kann, kommt die lineare Annäherung der tatsächlichen Entwicklung über die letzten drei Jahre sehr nahe. Leider haben wir es hier bislang nicht mit einer, in Zeiten von Covid-19 viel gefürchteten, exponentiellen Zuwachsrate zu tun.

Die Energiestrategie des Bundes gibt für die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien ohne Wasserkraft (PV-Anlagen, Kehricht- und Holzverbrennungsanlagen, Windenergieanlagen, Biogasanlagen) für das Jahr 2035 einen "minimalen" Zielwert von 11.4 TWh pro Jahr und für das Jahr 2050 einen "minimalen" Zielwert von 24.2 TWh pro Jahr an (Langfassung des Monitoring-Berichts zur Energiestrategie 2050, Abb. 1). Gemäss dem Monitoring-Bericht wird der Hauptteil dieser erneuerbaren Energien voraussichtlich von PV-Anlagen stammen. Nehmen wir an, dass im Jahr 2035 65 % und im Jahr 2050 80 % dieser erneuerbaren Energien aus PV-Produktion stammen, kommen wir auf die Zielwerte 13.7 % PV-Ausnützung im Jahr 2035 und 35.7 % PV-Ausnützung im Jahr 2050.

Bei der aktuellen Ausnützungsrate würde der Zielwert von für 2035 erst im Jahr 2046 und der Zielwert für 2050 erst im Jahr 2106 erreicht.

Mit anderen Worten, um den Zielwert 2035 zu erreichen wäre eine rund doppelt so hohe Zubaurate und um den Zielwert 2050 zu erreichen eine rund dreimal so hohe Zubaurate nötig. Vom etwas ambitionierteren Ziel im Jahr 2050 das gesamte PV-Potenzial ausgebaut zu haben, sind wir noch weiter entfernt. Dazu wären 3.2 Prozentpunkte pro Jahr, also in etwa eine Verachtfachung der Zubaurate, nötig.

In letzter Zeit ging es tendenziell aber sogar in die entgegengesetzte Richtung. Im Vergleich zur Periode 2012 bis 2016 ist die Rate leicht zurückgegangen von 0.51 Prozenpunkten pro Jahr auf 0.37 Prozentpunkte pro Jahr³. Schaut man sich Abb. 1 genauer an, könnte man auf die Idee kommen, dass das neuere EIV-Programm die fehlende Dynamik des auslaufenden KEV-Programms bisher nicht vollständig aufzuwiegen vermochte. Auch im EIV-Evaluationsbericht des BFE wird ein Einbruch der Gesuche festgestellt, der "primär auf Unklarheiten, Unsicherheiten und die langen Wartezeiten infolge der Umstellungen von KEV auf [EIV] per 1.1.2018" zurückgeführt wird (S. 8 im Evaluationsbericht). Laut dem Bericht ist aber auch nicht nur die EIV sondern der Eigenverbrauch in erster Linie ausschlaggebend für die Wirtschaftlichkeit einer PV-Anlage (S. 10 im Evaluationsbericht).


Ob der entscheidende Hebel bei der Politik liegt, können und wollen wir hier aber nicht abschliessend beantworten. Lieber versuchen wir selbst unseren Beitrag zu leisten, indem wir mit unserer Plattform Swiss Energy Planning helfen Potenzialbearbeitung, Kundenakquise und Planung von PV-Anlagen zu automatisieren und zu vereinfachen!


PV-Ausnützungsrate in den einzelnen Kantonen

Wie sieht es mit regionalen Unterschieden aus? Gibt es vielleicht innerhalb der Schweiz vorbildliche Regionen, von denen wir lernen können, wie wir die PV-Ausnützungsrate steigern können?

Wendet man die gleiche Analyse, wie oben für die ganze Schweiz beschrieben, für die einzelnen Kantone an, kann man doch deutliche Unterschiede erkennen. Abbildung 2 unten zeigt die aufsummierte Ausnützung (gezogene Linien), sowie die lineare Annäherung über die letzten drei Jahre (gepunktete Linien), aller 26 Kantone und Halbkantone. Der Kanton Neuchâtel ist mit einer Ausnützungsrate von 0.66 Prozentpunkten pro Jahr auf gutem Weg in 145 Jahren eine Ausnützung von 100 % zu erreichen und damit immerhin auf Kurs, den Richtwert 2035 von ca. 13.7 % in 14 Jahren, also bereits 2034, zu erreichen. Des Weiteren sind auch die Kantone Luzern (0.53 Prozentpunkte pro Jahr), Fribourg (0.52 Prozentpunkte pro Jahr) und Appenzell Innerrhoden (0.50 Prozentpunkte pro Jahr) bereits heute auf Kurs für den Zielwert 2035.


Abb. 2: Ausnützung des PV-Potenzials in den Kantonen und Halbkantonen von Anfang 2007 bis Ende 2019 (ausgezogene Linien), Extrapolation der aktuellen Ausnützungsrate (gepunktete Linien), sowie der Zielwert der Energiestrategie 2050 für das Jahr 2035 (unsere Abschätzung, siehe Text). Die Kantone sind nach den verbleibenden Anzahl Jahren bis zur vollen Ausnützung des PV-Potenzials geordnet, mit schnelleren Kantonen links oben und langsameren Kantonen rechts unten.


PV-Ausnützungsrate der einzelnen Gemeinden?

Auf Gemeindeebene gibt es noch stärkere Unterschiede: Wie aus der WWF-Medienmitteilungen zu vernehmen ist, konnten einzelne Gemeinden in den letzten zwei Jahren die Ausnützung ihres PV-Potenzials um bis zu 9 Prozentpunkte steigern. Die positiven Ausreisser sind die Gemeinden Rennaz (VD) mit 9.34 Prozentpunkten, Mülligen (AG) mit 9.31 Prozentpunkten, Fürstenau (GR) mit 8.16 Prozentpunkten und Altishofen (LU) mit 8.07 Prozentpunkten Ausnützungszunahme zwischen dem 1. Januar 2018 und dem 31. Dezember 2019.


Auf Gemeindeebene kann der Bau einer einzelnen grossen PV-Anlage allerdings schon einen enormen Einfluss auf die Zubaurate der letzten drei Jahre haben (solche "Sprünge" in der PV-Ausnützung sind in Abb. 2 oben auch schon auf Kantonsebene zu beobachten). Für einzelne Gemeinden würde eine lineare Annäherung deshalb eine stark verzerrte Vorhersage ergeben.


Anders würde es zum Beispiel mit der Frage aussehen, was die wichtigen Faktoren sind, dass eine Gemeinde eine besonders grosse PV-Ausnützung oder PV-Ausnützungsrate hat. Das wäre eine interessante Frage für eine zukünftige Analyse.



Wollen Sie zusammen mit uns die brachliegenden Potenziale entdecken und die Energiewende vorantreiben? Kontaktieren Sie uns hier.




In den Online-Medien

In den Zeitungen

  • Thurgau ist 217 Jahre im Rückstand - Thurgauer Zeitung, 31.08.2020

  • In Sachen Solarstrom ist Solothurn Entwicklungsgebiet - Solothurner Zeitung, 31.08.2020

  • Beim Solarstrom laut WWF 386 Jahre im Rückstand - Südostschweiz / Glarner Nachrichten, 31.08.2020

  • Innerrhoden ist beim Solarstrom 188 Jahre im Rückstand - Appenzeller Volksfreund, 29.08.2020

  • In Ausserrhoden stieg der Anteil an Solarstrom gerade mal um 0,7 Prozent; Potenzial nicht genutzt - 266 Jahre im Rückstand - Anzeige-Blatt für die Gemeinden Gais-Bühler und deren Umgebung, 29.08.2020

  • Jura et Berne ont beaucoup de retard - Le Quotidien Jurassien, 29.08.2020

  • Le long délai 311 années - 20 Minutes Genève, 28.08.2020

  • Le long délai 311 années - 20 Minutes Lausanne, 28.08.2020

Im Radio

  • Genève en retard en matière d'énergie solaire - Radio Lac / Journal 12.00

  • Energie solaire: pour le WWF, Genève a 311 ans de retard - Radio Lac / Radio Lac Soir Journal 18.00 / Des Hauts et Débats

  • La Suisse a un retard de 262 ans en matière de potentiel solaire - RTS La 1ère / La Matinale / Journal 6h / Journal 6h30

  • Radio Munot SH

  • Radio Chablais VS

  • Radio Argovia AG

  • Radio Bernois Jurassien BE

¹ Der schweizerische Fachverband für Solarenergie Swissolar erhebt die installierte PV-Leistung anhand der Verkaufszahlen von Importeuren und Hersteller von Solarmodulen. Für das Jahr 2019 kommt diese Erhebung auf eine installierte Leistung von 2.49 GWp. Sowohl bei unserer letzten Analyse für das Jahr 2017 wie auch jetzt für das Jahr 2019 liegt der von Swissolar ermittelte Wert rund 15 % über dem Wert der 2019 registrierten KEV- und EIV-Anlagen. Neben den unterschiedlichen Erfassungsmethoden liegt der Hauptgrund dieser Abweichung vermutlich in der Verzögerung zwischen dem Verkauf eines PV-Moduls und der offiziellen Registrierung bei Pronovo.

² Dass uns die EIV-Daten nur auf Postleitzahlebene zur Verfügung stehen, erschwert die Analyse auf Gemeindeebene, denn in der Schweiz gibt es Postleitzahlen, die in mehr als einer Gemeinde vorkommen. Für die Auswertung für die Gemeinden betrachten wir deshalb immer alle Postleitzahlen, bei denen mindestens 10 % des PV-Potenzials innerhalb der geografischen Gemeindegrenze liegt. Deshalb können die Werte für einzelnen Gemeinden leicht von den tatsächlichen Werten abweichen. Des Weiteren werden einzelne Postleitzahlgebiete mehrfach, bei mehreren Gemeinden, dazugerechnet werden.

³ In der Erhebung von Swissolar ist auch bei den Verkaufszahlen ein leichter Rückgang in den Jahren 2016 bis 2018 zu beobachten. Im Jahr 2019 sind die Verkaufszahlen allerdings wieder auf einem ähnlichen Niveau wie in den Jahren 2013 bis 2015.

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