Wie im Blog vom 21. November erwähnt, konnten Christa Rohrbach und David Suter von geoimpact für das Bundesamt für Energie (BFE) eine Auslegeordnung über die Voraussetzung für Digitale Innovation im Energiesystem der Schweiz erarbeiten.
Doch was hat dieser Bericht ausgelöst? Stefan Bühler, Redaktor Bundeshaus bei CH Media, hat Interessantes herausgefunden und am 23. November in einem Artikel in der Aargauer Zeitung veröffentlicht. Mit seiner Genehmigung dürfen wir den Inhalt auch hier posten, herzlichen Dank!
Von wegen 13 Prozent Strom gespart: Die Hintergründe einer Falschmeldung
Jede Kilowattstunde zählt – so lautet das Motto fürs Stromsparen. Doch nichts ist so schwierig, wie Kilowattstunden zählen: Statt wie gemeldet 13 Prozent, hat die Schweiz im September nur 1,1 Prozent Strom gespart. Wie es zur Falschmeldung kam. Und was Bern plant.
Stefan Bühler, 23.11.2022
Die Meldung war falsch. Die Schweiz hat den Stromverbrauch im September nicht um 13 Prozent gedrosselt, wie es zunächst hiess, sondern bloss um 1,1 Prozent. Das hat diese Zeitung am Montag publik gemacht. Ein wichtiger Grund: Die Netzgesellschaft Swissgrid, auf deren Zahlen die erste Meldung beruhte, erhielt von den Elektrizitätsunternehmen laut einer Sprecherin «Nachmeldungen, die ungewöhnlich hoch ausfielen».
Die Episode macht ein Problem deutlich, das in der Energiepolitik schon länger zu reden gibt: Die Behörden erhalten die Daten zu Stromverbrauch und Produktion nicht in Echtzeit, sondern mit wochenlanger Verzögerung. Zudem werden die Zahlen erst noch unterschiedlich erfasst. Die Zustände erinnern an den Beginn der Coronapandemie, als Spitäler und Arztpraxen ihre Fallzahlen teils per Fax und ebenfalls verspätet dem Bund schickten.
Entsprechend anspruchsvoll ist das Vorhaben des Bundesamts für Energie (BFE) in der aktuellen Energiekrise, ein öffentlich zugängliches Dashboard zu realisieren, das wichtige Parameter zum Energieverbrauch in Echtzeit anzeigt. Ein Vorhaben, das schon nach dem AKW-Unfall von Fukushima in Angriff genommen werden sollte, dann aber nie zu Stande kam.
Strombranche zeigt sich kooperativ – mit etlichen Wenn und Aber
Doch das BFE zeigt sich nach wie vor entschlossen. Es stellt auf Anfrage «voraussichtlich ab Dezember ein öffentlich zugängliches Dashboard» in Aussicht. Und zwar beruhend auf dem nicht-öffentlichen Monitoring, mit dem die wirtschaftliche Landesversorgung die Gefahr einer allfälligen Mangellage überwache. Hinzu kämen Daten, «die nach und nach verfügbar gemacht werden», schreibt das BFE.
Fragt sich, was «nach und nach verfügbar gemacht werden» genau heisst? Informationen, wonach die Strombranche mit der Herausgabe der Daten zögere, sie sogar bewusst in die Länge ziehe, widerspricht der Verband der Schweizerischen Elektrizitätsunternehmen (VSE) entschieden: Man unterstütze den Aufbau eines Dashboards. «Die Branche steht in keiner Art und Weise auf der Bremse», teilt eine Sprecherin mit. Nur, um dann aber anzufügen: «Wenn der Bund über keine gesetzlichen Grundlagen verfügt, weil er sie nie geschaffen hat, kann er keine Daten einfordern.»
Trotzdem wollen der VSE und die angeschlossenen Unternehmen helfen, «sehr pragmatisch eine Datengrundlage für die Darstellung der Lage zu schaffen». Dabei gelte es jedoch, das Recht zu beachten: «Daten dürfen grundsätzlich nur in aggregierter Form publiziert werden, sodass keine Rückschlüsse auf einzelne Endverbraucher gezogen werden können.» Es ist ein Angebot zur Kooperation mit dem BFE – mit vielen Wenn und Aber.
Einen tieferen Einblick in die Problematik gewährt eine Studie, die im Auftrag des BFE erstellt und kürzlich veröffentlicht worden ist. Die Autoren der Firma geoimpact stellen darin fest: «Die Verfügbarkeit und die Nutzung von Daten im Energiebereich der Schweiz ist aktuell eingeschränkt.» In anderen europäischen Ländern seien solche Daten teils «einfach verfügbar – konkret heisst das downloadbar». Obwohl auch in der Schweiz solche Daten verfügbar wären, «scheint dieser Weg heute aber noch weit».
Für den Rückstand werden viele Gründe aufgeführt. Hier nur ein Auszug: «Unklare oder abgeschobene Verantwortungen», «diffuse Befürchtungen, (...) Geschäftsgeheimnisse zu offenbaren» oder «fehlende digitale Maturität der Unternehmen», sprich: Rückstand bei der Digitalisierung. Würden Daten von einzelnen E-Werken öffentlich zugänglich gemacht, dann «oft unstrukturiert und heterogen», kritisieren die Autoren. Der VSE habe «hierzu bis heute keine Branchenrichtlinie erarbeitet». Es gebe «ein ungenügendes Interesse und fehlende Anreize, um Daten bereitzustellen». Auch, weil deren Aufbereitung als aufwendig eingeschätzt werde.
Sommaruga will Datenlieferung per Verordnung erwirken
Allerdings lassen es die Autoren nicht bei der Kritik bewenden, sie schlagen eine Lösung vor: «Die aktuelle Energieversorgungslage und die fehlende Transparenz für die Bevölkerung bezüglich den Energiesparzielen sollte das BFE als Anlass nehmen, um mittels einer Verordnung Klarheit über die existierenden gesetzlichen Grundlagen zu schaffen.» So könnte die Branche «gesetzlich verpflichtet» werden, unverzichtbare Informationen für die Versorgungssicherheit unter Berücksichtigung des Datenschutzes zu veröffentlichen.
Das ist im Departement von Energieministerin Simonetta Sommaruga offenbar auf offene Ohren gestossen. Wie mehrere Quellen bestätigen, ist eine entsprechende Verordnung in Vorbereitung. Sie soll schon bald dem Bundesrat vorgelegt werden.
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